30. März 2025 | M.Sc. Meteorologe Nico Bauer

Hagelstürme in Europa

Hagelstürme in Europa

Datum 30.03.2025

Mit dem Frühling beginnt auch die Gewittersaison. Vor allem schwere Gewitter mit Hagel richten jedes Jahr große Schäden an. Doch wo tritt Hagel am häufigsten auf und welche Veränderung gibt es diesbezüglich im Hinblick auf die globale Erwärmung?

Auch wenn das aktuelle Wetter an diesem Wochenende und zu Beginn der kommenden Woche teils noch spätwinterliche Züge aufweist, ist der Frühling nicht mehr aufzuhalten. Mit den steigenden Temperaturen erhöht sich auch die Gefahr von kräftigen Gewittern mit Hagel. Laut Definition handelt es sich bei Hagel um Eiskörner mit einem Durchmesser von mindestens 0,5 Zentimetern. Sind die Eiskörner kleiner, spricht man von Graupel. Gewitter mit Graupel kommen im Winterhalbjahr häufig bei einer ähnlichen Großwetterlagenkonstellation wie am heutigen Sonntag vor. Dabei fließt vor allem in der Höhe polare Kaltluft ein. Dadurch ergeben sich große Temperaturunterschiede zwischen dem Erdboden und der mittleren Troposphäre, wodurch Gewitterwolken entstehen können. Dies kann am heutigen Sonntag stellenweise auch in der Nordosthälfte beobachtet werden.

Für Hagel sind die Aufwinde innerhalb der Gewitterwolke im Winter aber meist zu schwach. Damit sich dieser bilden kann, benötigt es eine energiereiche Luftmasse mit einem hohen Feuchtegehalt. Ein Maß, das in der Meteorologie dazu verwendet wird, ist die maximale verfügbare potentielle Energie (CAPE). Über diese Größe erhält man eine Abschätzung der Aufwindgeschwindigkeiten innerhalb einer hochreichenden Gewitterwolke. Für die Abschätzung der Hagelgröße ist zudem auch die vertikale Windscherung (Windgeschwindigkeits- und Richtungsänderung mit der Höhe) von großer Bedeutung. Großer bis sehr großer Hagel ist nur in Verbindung mit langlebigen Gewitterzellen möglich. Deshalb tritt Hagel mit Korndurchmessern über 5 cm auch ausschließlich innerhalb von Superzellen in einer Umgebung mit einer hohen vertikalen Windscherung auf.

Abbildung 1 zeigt die Häufigkeit an Hagelereignissen in Europa. Erwartungsgemäß tritt Hagel in Mittel- und Südeuropa öfter auf als in Nordeuropa, da dort im Jahresverlauf häufiger energiereiche Luftmassen vorherrschend sind. Zudem ist erkennbar, dass vor allem im Bereich der Gebirge Hagelereignisse sehr oft vorkommen. Ein Maximum ergibt sich in Nordspanien rund um die Pyrenäen sowie nördlich und südlich der Alpen. In Deutschland gibt es ein deutliches Süd-Nord-Gefälle. Dies liegt neben dem im Sommerhalbjahr wärmeren Klima auch an der Orographie. Dort bilden sich häufig im Lee der Alpen und der süddeutschen Mittelgebirge wie dem Schwarzwald lokale Konvergenzen aus, die kräftige Gewitter mit Hagel auslösen können.


Diese Grafik zeigt die Hagelhäufigkeit über Europa für die Periode von 2004 bis 2011. (Quelle https://link.springer.com/article/10.1007/s11069-014-1161-0)


Auch bei der räumlichen Verteilung der maximalen Hagelkorngröße spielt die Orographie eine entscheidende Rolle. Vor allem die Anrainerstaaten der Alpen verzeichnen schwere Gewitter mit sehr großem Hagel. Davon ist beispielsweise Süddeutschland, Tschechien oder auch Norditalien betroffen. Erst im Juli 2023 wurde in Venetien in Norditalien ein Hagelkorn mit einem unglaublichen Durchmesser von 19 cm entdeckt (nicht abgebildet). Dies ist bis heute der Europarekord! Aber auch im Mittelmeerraum wie beispielsweise in Mittelitalien oder in Südspanien trat in der Vergangenheit bereits sehr großer Hagel um 10 cm auf. Dort wird dieser allerdings im Gegensatz zu Mitteleuropa aufgrund des Jahresgangs der Wassertemperaturen vor allem im Herbst beobachtet. Diese Daten stammen von Meldungen aus der European Severe Weather Database (ESWD). Da es in ländlichen Regionen prinzipiell weniger Meldungen gibt, können die tatsächlichen Zahlen leicht davon abweichen.


Diese Grafik zeigt die maximale Größe der Hagelkörner bis 2015 in Europa. (Quelle https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0169809516300291)


Welchen Einfluss hat die globale Erwärmung auf die Hagelhäufigkeit und die maximale Hagelkorngröße bei schweren Hagelereignissen?
Grundsätzlich erhöht sich mit einer zunehmenden Erderwärmung das Potenzial für Hagel. Allerdings benötigt es für größeren Hagel nicht nur eine warme und sehr feuchte Luftmasse sowie einen Hebungsantrieb. Auch die Änderungen der Strömungskonfiguration und mikrophysikalische Prozesse innerhalb einer Gewitterwolke haben darauf einen entscheidenden Einfluss. Eine kürzlich erschienene Studie zeigt bei einer globalen Erwärmung von 3 Kelvin gegenüber dem vorindustriellen Zeitraum eine Abnahme der Hagelhäufigkeit über Westeuropa und eine Zunahme über Mittel- und Osteuropa. Großer Hagel kommt demnach über weite Teile Europas in Zukunft häufiger vor. Dies würde auch in Deutschland das Gefährdungspotenzial durch Hagel in den nächsten Jahrzehnten deutlich erhöhen.


Dies Grafik zeigt die Trends in der Hagelhäufigkeit und in der Häufigkeit von großem Hagel für Europa. (Quelle https://egusphere.copernicus.org/preprints/2025/egusphere-2025-918/egusphere-2025-918.pdf)




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