Tief HORST hat die Schirmherrschaft über unser Wetter übernommen. Aktuell (Dienstagvormittag) über dem Norden Irlands gelegen, kommt HORST allmählich in Richtung Nordsee (Mittwochmittag) und dann weiter in Richtung Deutschland voran. Obwohl sich der Kern des Tiefs mit seinem Besuch noch Zeit lässt, drückt HORST unserem Wetter schon jetzt seinen Stempel auf – mit einer Kaltfront, die von West nach Ost über uns hinwegzieht.

Über dem Norden Deutschlands ist bzw. war diese Kaltfront sowohl mit den Augen eines Satelliten als auch mit Hilfe des Radars gut zu erkennen (Abbildung 1). Denn dort erstreckte sich um 06 UTC (08 MESZ) ein markantes Niederschlagsband (Radarreflektivitäten in grün-gelb-orange) von den Ostfriesischen Inseln bis nach Südniedersachsen und Nordhessen.
Leider ist es aber so, dass dieses Regenband die Lage der Luftmassengrenze nicht exakt widerspiegelt. Dies gilt zumindest dann, wenn man die Situation am Boden bzw. in Bodennähe als Maß der Dinge festlegt. Dann kann man durchaus auf die Idee kommen die Front anders zu positionieren, als dies vom Radar und vom Satelliten suggeriert wird.

Hinweise auf diese andere Position liefert die Abbildung 2. Sie zeigt links die absolute Feuchte in Bodennähe, rechts darüber hinaus die Drucktendenz. Durch die im Westen schon eingeflossene kältere und trockenere Luftmasse ist dort die absolute Feuchte mit 10 bis 12 g/m3 (Gramm pro Kubikmeter) deutlich niedriger als im Rest des Landes. Niedrige Werte der absoluten Feuchte weisen im Osten und Süden vor allem bzw. fast ausschließlich die Bergstationen auf (z. B. der Fichtelberg, der Große Arber oder der Feldberg im Schwarzwald; markiert mit roten Kreisen). Irgendwo im Bereich des Übergangs der trockenen zur feuchten Luft sollte die Luftmassengrenze liegen, und mit der rechts dargestellten Drucktendenz ist diese Lage recht klar definierbar. Wenn man bedenkt, dass vor der Front Druckfall zu erwarten ist (in der Karte rot), rückseitig aber Druckanstieg (in der Karte blau), dann verläuft die Front in Bodennähe von der Elbmündung über den Raum Hannover, dann weiter über Kassel und das Rhein-Main-Gebiet bis in die Pfalz und weiter nach Frankreich.

Wenn diese Linie die Front am Boden beschreibt, dann liegen die o. e. Niederschläge auf der Frontrückseite. Dies ist auch verständlich, schiebt sich doch die Kaltfront mit der kalten Luft unter die bisher wetterbestimmende Warmluft (wem das Wort „Warmluft“ zu dick aufgetragen erscheint, der kann Warmluft hier auch durch „wärmere Luft“ ersetzen). Um das etwas anschaulicher zu verdeutlichen, lohnt der Blick auf Abbildung 3, aber nicht ohne zuvor nochmal die Abbildung 1 zu bemühen. In dieser ist nämlich eine Linie markiert, die von der niederländisch-belgischen Grenze über das Ruhrgebiet und Ostwestfalen bis in den Nordwesten Brandenburgs verläuft und damit die Frontlinie nahezu senkrecht schneidet.

Abbildung 3 zeigt nun die entlang dieser Linie von unserem Modell ICON-EU errechnete relative Feuchte in ihrer vertikalen Erstreckung. Hinter der Front sickert in den untersten zwei Kilometern trockene und kühlere Luft ein, der blaue Pfeil deutet dies an. Der bodennahe Feuchteeintrag in die Atmosphäre ist dabei an einer dünnen Schliere etwas feuchterer Luft im Kaltluftbereich zu erkennen. Die Front selbst verläuft keineswegs senkrecht, vielmehr ist die Frontfläche (blaue Linie) geneigt, die Kaltluft hat sich bodennah sozusagen einen Vorsprung gegenüber der Kaltluft in etwas höheren Luftschichten erarbeitet. Wolkenbildung setzt aber erst ein, wenn die Luft ausreichend aufgestiegen und durch Abkühlung entsprechend gesättigt ist. Und das ist über dem Norden am heutigen Vormittag erst hinter, also westlich der Bodenfront der Fall gewesen.
Eine Kaltfront mit diesen Eigenschaften wird als Anafront bezeichnet. Ihr theoretischer Querschnitt ist in Abbildung 4 zu sehen. Ein Großteil des Niederschlages fällt an der Anafront postfrontal - allerdings nicht zwingend der gesamte und nicht zwingend immer. Manchmal sind auch unmittelbar an oder kurz vor der Front die stärksten Regenfälle zu verzeichnen - und manchmal sind diese auch die einzigen. In unserem Fall findet sich die zuletzt angedeutete Situation entlang einer Linie von Kassel bis nach Frankfurt/M. Dort regnet es nur unmittelbar an der Front, prä- und postfrontal bleibt es dagegen trocken.