Tief TALAT, das am heutigen Mittwoch von den Niederlanden zur Ostsee zieht, sorgt aktuell für nasskaltes beziehungsweise frühwinterliches Wetter in einigen Teilen unseres Landes. Während es in der vorherrschenden Polarluft über der Mitte oberhalb von etwa 200 bis 400 m schneit, fällt der Niederschlag im Norden überall noch als Regen. Überall? Nein! Im Norden von Schleswig-Holstein ist der Regen im Laufe des heutigen Vormittags in Schnee übergegangen. Dabei ist die vorherrschende Luftmasse dort kaum kälter als ansonsten im Norden. Was ist da denn bitte los?
Schauen wir uns doch mal den vertikalen Temperaturverlauf im Norden von Schleswig-Holstein von heute früh 5 Uhr an. Das entspricht ungefähr dem Zeitpunkt, an dem es angefangen hat, zu regnen. Genauer genommen handelt es sich dabei um einen Modellaufstieg (von einem Wettermodell berechneter Radiosondenaufstieg). Ganz kurz zur Erklärung: Das Diagramm zeigt den vertikalen Verlauf der Temperatur (durchgezogene schwarze Linie) und des Taupunkts (strichlierte schwarze Linie; Maß für die Luftfeuchtigkeit). Auf der unteren, horizontalen Diagrammachse ist die Temperatur in Grad Celsius aufgeführt und auf der linken, vertikalen Achse der Luftdruck in hPa (mit der Höhe abnehmend). Die Temperatur bleibt entlang der roten, von unten nach rechts oben verlaufenden Linien konstant. Mehr dazu finden Sie zum Beispiel im Thema des Tages vom 03.07.2020 .
Man sieht, dass die Temperatur in Bodennähe bei knapp 5 Grad liegt, mit der Höhe kontinuierlich abnimmt und im Druckniveau von etwa 925 hPa (entspricht in diesem Fall ungefähr 650 m Höhe) die Null-Grad-Marke erreicht. Außerdem fällt auf, dass Taupunkt- und Temperaturkurve recht nah beieinander liegen, die Luft ist also relativ feucht. Trockene Schichten, in denen der Niederschlag komplett verdunsten und somit nicht am Boden ankommen würde, sind also nicht vorhanden. Da der Schnee nicht direkt mit Überschreiten der Null-Grad-Marke schmilzt, sondern noch etwas weiter in den positiven Bereich fällt, liegt die Schneefallgrenze in diesem Fall bei grob 400 m. Schnee am Boden ist also kein Thema.
Wenige Stunden später, um 10 Uhr, sieht die Lage deutlich anders aus. Vor allem unterhalb von etwa 925 hPa hat sich die Luft deutlich abgekühlt. Ihre Temperaturkurve verläuft zwischen 950 hPa (etwa 500 m Höhe) und dem Boden entlang der 0-Grad-Isotherme. Die Schichtung dort ist also isotherm, das heißt die Temperatur ändert sich nicht mit der Höhe, sondern bleibt nahezu konstant. Der fallende Schnee hat nun keine Möglichkeit mehr, zu schmelzen und kommt in der Folge am Boden an - es schneit!
Sankt Peter-Ording meldete um 10 Uhr als erste Station im dortigen Niederschlagsgebiet 0 Grad. Um 11 Uhr folgten auch im Binnenland einige Stationen diesem Beispiel.
Durch die für diese Luftmasse durchaus ordentlichen Niederschlagsraten von bis zu 4 mm pro Stunde konnte einerseits kalte Luft aus etwas höheren Luftschichten zum Boden heruntergemischt werden. Andererseits wurde der Luft durch Verdunstungsprozesse zusätzlich etwas Energie entzogen. Das mündete letztlich im angesprochenen Rückgang der Temperatur und dem Arbeitsauftrag für Frau Holle.