15. November 2025 | Dipl.-Met. Martin Jonas

Nasser Norden

Nasser Norden

Datum 15.11.2025

Das heutige Thema des Tages beleuchtet Teile der Entwicklungen an der Luftmassengrenze über dem Norden Deutschlands und wirft dazu einen Blick auf ein interessantes Radarphänomen.

Schon im gestrigen Thema des Tages wurde die Luftmassengrenze über Norddeutschland angesprochen. Auch die Abläufe mit der Hebung der Warmluft durch die von Norden einströmende Kaltluft wurden skizziert. Da kann man sich natürlich die Frage stellen, wieviel Regen denn bisher gefallen ist – auch wenn der Regen im Norden weiterhin andauert.

Die Abbildung eins zeigt dazu oben die 24-stündigen Niederschlagsmengen bis zum gestrigen Morgen (14.11., 07 MEZ), unten sind entsprechend die 24-stündigen Mengen bis zum Samstagmorgen abgebildet. Dabei stammen die Zahlenwerte aus dem DWD-Messnetz, die Flächendarstellung ist dagegen aus dem DWD-Radarverbund abgeleitet (die zu den Radardaten gehörende Legende ist rechts im Bild zu sehen). Schon am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag bildete sich ein Streifen vom mittleren Emsland bis in die Lüneburger Heide, in dem über 10 mm, lokal sogar über 15 mm zusammengekommen sind (Station Saterland-Ramsloh: 17 mm).

Am Freitag selbst intensivierte sich dann das Niederschlagsgeschehen. Von Ostfriesland und dem nördlichen Emsland bis nach Vorpommern zog sich ein Bereich mit mehr als 15 mm akkumuliertem Regen, in diesem Streifen war, geht man nach den Messstationen, der Regen in Emden mit 31 mm am ergiebigsten.


24-stündige Niederschläge über dem Norden Deutschlands, oben bis Freitagmorgen, 14.11., 07 MEZ, unten bis Samstagmorgen, 15.11., 07 MEZ. Flächige Darstellung: Niederschlagswerte abgeleitet aus dem Radar, Zahlenwerte: Messungen aus dem Messnetz.


Erklären kann man die Intensivierung der Hebung und der Niederschlagsraten mit einem verstärkten Aufgleiten. In der Höhe wurde warme Luft noch etwas nach Norden gedrückt. So stieg die Temperatur in 500 hPa (etwa 5,5 km Höhe) über Sylt um etwa 2 °C an (von knapp über -20 °C auf knapp über -18 °C). Andererseits sickerte bodennah Kaltluft ein und schob sich nach Süden voran. Die Abbildung zwei zeigt entsprechend die Temperatur (und den für uns hier nicht relevanten Taupunkt) im südlich von Bremen gelegenen Bassum. Während am Donnerstag noch der übliche Tagesgang zu erkennen ist, bei dem die Temperatur am Morgen etwa 9 °C beträgt und sich bis zu einem Spitzenwert von etwa 16 °C am frühen Nachmittag aufschwingen kann, zeigt der Freitag ein gänzlich anderes Bild. Aus der Nacht heraus bei milden 11 °C liegend, sinkt die Temperatur ab dem Morgen kontinuierlich ab. Abends sind es dann nur noch gut 6 °C, die Kaltluft ist bodennah also vorangekommen. Das Zusammenspiel dieser gegenläufigen Entwicklungen in der Höhe und am Boden ist ein Grund für den kräftigeren Regen am Freitag.


Meteogramm mit der Temperaturentwicklung der Station Bassum am Donnerstag und Freitag (12. und 13.11.)


Es lohnt sich allerdings, noch einmal einen zweiten Blick auf den unteren Teil der Abbildung eins zu werfen. Denn auffällig ist dort nicht nur der angesprochene Niederschlagsstreifen, sondern auch eine halbkreisförmige Zone vermeintlich sehr starker Niederschläge über der Nordsee. Allerdings handelt es sich hier mitnichten um kräftigen Regen, sondern um ein Artefakt bei der Radarmessung.

Im gedachten Zentrum des Halbkreises steht eine 17 (Niederschlagsmessung in mm des Flugplatzes auf Borkum). Und nicht weit davon entfernt (für Borkum als Insel aber dann doch relativ weit weg) steht am Borkumer Hafen der Radarturm des Deutschen Wetterdienstes. Der Halbkreis scheint sich um das Radar herum zu winden - und das hat gute Gründe. Denn die Strahlen, die das Radar aussendet, schließen mit dem Erdboden immer einen kleinen Winkel ein. Sie sind also leicht nach oben gerichtet. In der Folge erreichen sie irgendwann die Schicht in der Atmosphäre, in dem der fallende Niederschlag schmilzt. In dieser Schicht werden die Radarstrahlen besonders effektiv reflektiert, was dann als besonders kräftiger Niederschlag interpretiert wird.


Brightband-Effekt: grafische Erläuterung (unten) sowie Beispielwetterlage (oben)


Die Abbildung drei zeigt dazu eine schematische Darstellung (unten) und ein Beispielbild aus dem Jahr 2019. Weitere Erläuterungen sind auch im DWD-Lexikon zu finden, aus dem auch die Grafik stammt. Und dort findet man auch die Erklärung dafür, warum der Ring am gestrigen Tag nur ein halber Ring gewesen ist. Der Ring oder Ausschnitte eines Ringes werden vom Radar dann abgebildet, wenn der Radarstrahl im Bereich der Schneefallgrenze unterwegs ist. Und die Schneefallgrenze lag gestern auf der Nordseite der Luftmassengrenze in der Kaltluft viel niedriger als in der südlich der Luftmassengrenze befindlichen Warmluft. Entsprechend stärker ist die Reflektivität – und es entsteht ein halber Ring.

Noch als Schlussbemerkung: Genau genommen ist die Niederschlagsabschätzung aus den Radarreflektivitäten natürlich kein einzelnes Radarbild, sondern nutzt eine Vielzahl von Einzelbildern. Eine gewisse Verzerrung der Situation durch zeitliche Entwicklungen ist somit eigentlich zu erwarten. Umso erstaunlicher, wie klar sich der Ring trotz der zeitlichen Integration bzw. Aufsummierung herausbildet. Das spricht auch dafür, dass sich die Situation im Laufe des Tages nur wenig verändert hat und die Position der Luftmassengrenze recht stabil gewesen ist.



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